Veröffentlicht am März 15, 2024

Die schiere Größe des Berliner Tiergartens führt oft zu orientierungslosem Umherirren. Der Schlüssel zu einer tiefgreifenden Erkundung liegt nicht im ziellosen Spazieren, sondern in der bewussten Wahl thematischer Routen, die das historische und gestalterische Erbe des Parks entschlüsseln.

  • Verstehen Sie die historische Entwicklung vom Jagdrevier zum Landschaftspark, um die „Grammatik“ der Wege zu lesen.
  • Teilen Sie den Park in vier überschaubare Halbtagestouren auf: Denkmäler, Gewässer, Waldlandschaften und ruhige Zonen.

Empfehlung: Beginnen Sie Ihre Erkundung mit einer klaren Absicht, indem Sie eine der vorgestellten Routen wählen, um die verborgenen Schichten des Parks gezielt zu entdecken, anstatt nur an der Oberfläche zu bleiben.

Der Große Tiergarten ist mehr als nur die grüne Lunge Berlins; er ist ein 210 Hektar großes Labyrinth aus Geschichte, Kunst und Natur, das viele Besucher eher überwältigt als entspannt. Man betritt ihn mit guten Vorsätzen, läuft vielleicht zur Siegessäule, verirrt sich auf dem Weg zum Brandenburger Tor und verlässt ihn Stunden später mit dem Gefühl, nur einen Bruchteil gesehen und wenig verstanden zu haben. Der häufigste Fehler ist die Annahme, man könne diesen Park einfach „durchqueren“. Dieses Vorgehen ignoriert seine tiefgreifende, über Jahrhunderte gewachsene Struktur.

Die üblichen Ratschläge beschränken sich oft auf das Aufzählen der bekanntesten Monumente. Doch die wahre Essenz des Tiergartens erschließt sich erst, wenn man seine verborgene Ordnung erkennt. Was, wenn der Schlüssel zum Verständnis nicht darin liegt, Sehenswürdigkeiten abzuhaken, sondern die Landschaft selbst wie ein Buch zu lesen? Dieser Ansatz, den ich die „Landschafts-Grammatik“ nenne, verwandelt einen einfachen Spaziergang in eine faszinierende Entdeckungsreise. Er lehrt uns, die geraden Schneisen des ehemaligen Jagdreviers von den kunstvoll geschwungenen Pfaden des Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné zu unterscheiden und die Narben der Geschichte in der heutigen Bepflanzung zu erkennen.

Dieser Artikel ist Ihr Kompass für eine solche Erkundung. Er führt Sie weg vom ziellosen Wandern und hin zur thematischen Dekodierung. Wir werden die historische Entwicklung nachzeichnen, den Park in vier logische Halbtagesrouten unterteilen, seine Einzigartigkeit im Vergleich zu anderen Weltstadtparks beleuchten und Ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um Ihre eigenen, perfekten Momente der Ruhe oder Inspiration zu finden.

Für alle, die eine visuelle Einstimmung bevorzugen, fängt das folgende Video die besondere, fast poetische Atmosphäre des Tiergartens ein, während die Bäume im Frühling zu neuem Leben erwachen. Es ist eine perfekte Ergänzung zu den praktischen Ratschlägen dieses Leitfadens.

Dieser Leitfaden ist so strukturiert, dass er Ihnen eine klare und systematische Herangehensweise an den Tiergarten ermöglicht. Jede Sektion baut auf der vorherigen auf, um Ihnen ein vollständiges Bild dieses einzigartigen Landschaftskunstwerks zu vermitteln. Der folgende Sommaire gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir behandeln werden.

Sommaire: Der Tiergarten systematisch entschlüsselt – Ein Überblick

Warum der Tiergarten im 17. Jahrhundert Wildschweinen gehörte und heute Joggern

Um den heutigen Tiergarten zu verstehen, muss man seine dramatische Metamorphose kennen. Ursprünglich, ab 1527, war das Areal ein eingezäuntes Jagdrevier der Kurfürsten – ein Wald voller Wildtiere für das Vergnügen des Adels. Die breiten, geraden Alleen wie die heutige Straße des 17. Juni sind stumme Zeugen dieser Zeit; sie waren als Schneisen für die Jagd angelegt. Erst unter Friedrich III. im 18. Jahrhundert begann die Wandlung zu einem öffentlichen „Lustpark“. Der entscheidende gestalterische Eingriff erfolgte jedoch im 19. Jahrhundert durch den genialen Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné. Er schuf mit geschwungenen Wegen, malerischen Sichtachsen und künstlichen Gewässern einen Park nach englischem Vorbild, der die Illusion einer idealisierten Natur erwecken sollte. Diese „gelesene Landschaft“ ist das gartenkünstlerische Erbe, das wir heute noch erleben.

Die dunkelste Stunde erlebte der Park nach dem Zweiten Weltkrieg. Von den ehemals 200.000 Bäumen waren nur noch etwa 700 übrig. Die Berliner fällten in den Hungerwintern fast den gesamten Bestand, um zu heizen, und legten auf den Freiflächen Gemüsebeete an. Der Wiederaufbau war ein Akt nationaler Solidarität: Westdeutsche Städte spendeten Bäume, um die grüne Lunge der geteilten Stadt wiederzubeleben. Diese zweite Geburt prägt den Park bis heute mit einer enormen Baumvielfalt. Er ist somit nicht nur ein Erholungsort, sondern auch ein lebendiges Denkmal der deutschen Nachkriegsgeschichte, das heute dem Land Berlin gehört und für alle frei zugänglich ist.

Ihr Plan zur Spurensuche: Historische Schichten im Tiergarten erkennen

  1. Jagd-Alleen suchen: Gehen Sie auf den Hauptachsen wie der Straße des 17. Juni und stellen Sie sich deren ursprüngliche Funktion als Jagdschneise vor.
  2. Lennés Handschrift finden: Verlassen Sie die geraden Wege und folgen Sie den geschwungenen Pfaden, um die von Peter Joseph Lenné komponierten Landschaftsbilder zu entdecken.
  3. Baumvielfalt analysieren: Achten Sie auf die unterschiedlichen Baumarten, ein direktes Ergebnis der bundesweiten Spendenaktion nach 1945.
  4. Denkmäler besuchen: Suchen Sie das eher unscheinbare Baumdank-Denkmal östlich der Hofjägerallee als Symbol des Wiederaufbaus.
  5. Alte Riesen identifizieren: Versuchen Sie, einige der nur noch rund 290 Bäume aus der Vorkriegszeit zu finden, die die Zerstörung überstanden haben.

Wie Sie den Tiergarten in 4 Halbtagesrouten nach Denkmälern, Gewässern, Wäldern und Wiesen aufteilen

Der Schlüssel zur Erkundung des Tiergartens liegt in der Strukturierung. Anstatt ziellos umherzuwandern, können Sie den Park in vier thematische Routen aufteilen, die jeweils in einem halben Tag gut zu bewältigen sind. Jede Route konzentriert sich auf einen bestimmten Aspekt des Parks und ermöglicht eine intensive, fokussierte Erfahrung. Diese thematische Dekodierung verwandelt die unüberschaubare Fläche in eine Reihe von kuratierten Erlebnissen und hilft Ihnen, die unterschiedlichen Charaktere der Parklandschaft kennenzulernen.

Die folgende Karte gibt einen visuellen Überblick über die vier vorgeschlagenen thematischen Zonen. Sie zeigt, wie sich die Bereiche für Denkmäler, Wasser, Wald und Ruhe geografisch im Park verteilen und hilft bei der ersten Orientierung.

Detaillierte Karte mit vier farblich markierten Themenrouten durch den Tiergarten

Jede dieser Routen bietet einen einzigartigen Einblick in das vielschichtige Wesen des Tiergartens. Ob Sie an preußischer Geschichte interessiert sind, die meditative Wirkung von Wasser suchen oder einfach nur im tiefen Grün des Waldes abschalten möchten – mit diesem Ansatz finden Sie garantiert die für Sie passende Tour.

Die nachfolgende Tabelle fasst die vier Routen mit ihren Hauptattraktionen und geschätzter Dauer zusammen. Nutzen Sie sie als praktischen Leitfaden für Ihre Planung.

Die vier thematischen Halbtagesrouten durch den Tiergarten
Route Hauptattraktionen Dauer Schwierigkeit
Denkmäler-Route Siegessäule, Bismarck-Denkmal, Sowjetisches Ehrenmal, Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas 3 Stunden Leicht
Gewässer-Route Landwehrkanal, Neuer See mit Café, Goldfischteich, verborgene Teiche 2,5 Stunden Leicht
Wälder & Wiesen Rosengarten, westliche Waldgebiete, Lenné-Landschaftsbilder 3 Stunden Mittel
Klänge-Route Vom Großen Stern zu stillen inneren Bereichen, Carillon (Glockenspiel) 2 Stunden Leicht

Tiergarten, Hyde Park oder Central Park: Welcher Stadtpark bietet die authentischste Naturerfahrung

Ein Vergleich mit anderen weltberühmten Stadtparks schärft den Blick für die Einzigartigkeit des Tiergartens. Während der New Yorker Central Park mit 335 Hektar deutlich größer und der Londoner Hyde Park mit 125 Hektar kleiner ist, liegt der Tiergarten mit seinen 210 Hektar dazwischen. Doch die reine Größe ist nicht das entscheidende Kriterium für die Qualität der Naturerfahrung. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie der Park in die Stadt integriert ist und welche Form von „Natur“ er präsentiert.

Der Central Park ist eine klar definierte, rechteckige Oase, eine fast vollständig künstliche Landschaft, die sich scharf vom umgebenden Hochhaus-Raster abhebt. Der Hyde Park ist ebenfalls eine deutlich abgegrenzte grüne Insel, historisch gewachsen und von königlichem Flair geprägt. Der Tiergarten hingegen fühlt sich anders an. Er ist keine Insel, sondern ein durchlässiges Gewebe, das mit dem politischen und kulturellen Zentrum Berlins verwachsen ist. Man spaziert vom Kanzleramt oder dem Reichstag fast nahtlos in den Park hinein. Diese fehlende Abgrenzung schafft eine besondere Form von urbaner Natur.

Der Landschaftshistoriker Folkwin Wendland fasst diese Besonderheit in seinem Werk „Der Große Tiergarten in Berlin“ treffend zusammen:

Die ‚Authentizität‘ des Tiergartens liegt in seiner nahtlosen Integration in das politische und kulturelle Herz Berlins. Im Gegensatz zu seinen Pendants ist er keine abgeschlossene Insel.

– Folkwin Wendland, Der Große Tiergarten in Berlin – Seine Geschichte und Entwicklung

Diese Durchdringung von Stadt und Park macht die Naturerfahrung im Tiergarten besonders „authentisch“ für eine Metropole. Es ist keine Flucht aus der Stadt, sondern eine Erfahrung der Stadt *in* der Natur. Der Lärm des Großen Sterns ist hier ebenso Teil des Erlebnisses wie das Vogelgezwitscher an einem versteckten Teich. Genau dieser Vergleich der Parkgrößen und -charaktere zeigt, dass der Tiergarten eine einzigartige Symbiose eingeht, die ihn von anderen Stadtparks unterscheidet.

Der Fehler, ohne Karte in den Tiergarten zu gehen und 2 Stunden den Ausgang zu suchen

Der vielleicht größte Fehler, den Erstbesucher machen, ist die Unterschätzung der Parkdimensionen und die romantische Vorstellung, sich einfach „treiben lassen“ zu können. Ohne Plan und Orientierungshilfe kann dieser Ansatz schnell in Frustration enden, wenn man nach zwei Stunden immer noch denselben Weg kreuzt oder verzweifelt einen bestimmten Ausgang sucht. Die komplexe Wegeführung, eine Mischung aus barocken Achsen und landschaftlichen Pfaden, ist ohne Hilfsmittel kaum zu durchschauen. Eine bewusste Raumwahrnehmung ist ohne eine Karte oder ein digitales Werkzeug in einem Park dieser Größe schlichtweg unmöglich.

Moderne Technologie bietet hier eine elegante Lösung. Anstatt eine unhandliche Papierkarte mit sich zu führen, ermöglichen Navigations-Apps wie Komoot eine präzise und stressfreie Routenplanung. Sie können nicht nur vorgefertigte Touren nutzen, sondern auch eigene, auf Ihre Interessen zugeschnittene Routen erstellen. Dies verwandelt das Problem der Orientierungslosigkeit in einen kreativen Planungsprozess.

So planen Sie Ihre individuelle Tiergarten-Route mit Komoot:

  1. Laden Sie die kostenlose Komoot-App auf Ihr Smartphone.
  2. Wählen Sie „Wandern“ als Aktivität und passen Sie das Fitnesslevel an.
  3. Setzen Sie einen klaren Startpunkt, z. B. den S-Bahnhof Tiergarten oder das Brandenburger Tor.
  4. Fügen Sie gezielt Wegpunkte hinzu, die Sie interessieren – etwa die Siegessäule, den Rosengarten oder das Café am Neuen See.
  5. Speichern Sie die Route offline, um auch ohne Internetverbindung navigieren zu können und Akku zu sparen.

Besonders wertvoll sind qualitätsgeprüfte Routenvorschläge von lokalen Experten. So stellt beispielsweise der ADFC Berlin auf seinem Komoot-Profil fertige Touren bereit, die oft abseits der ausgetretenen Pfade zu reizvollen Zielen führen. Diese Touren sind eine exzellente Basis für die eigene Erkundung.

Wann der Tiergarten in goldenem Herbstlicht oder Frühlingsblüte am fotogensten ist

Der Tiergarten entfaltet zu jeder Jahreszeit einen eigenen, unverwechselbaren Charme, doch für Fotografen und Ästheten gibt es Momente, in denen seine Schönheit eine besondere Intensität erreicht. Die bewusste Wahl des richtigen Zeitpunkts kann den Unterschied zwischen einem schönen Spaziergang und einem unvergesslichen visuellen Erlebnis ausmachen. Das Spiel von Licht und Farbe ist ein wesentlicher Teil des gartenkünstlerischen Erbes, das Lenné gezielt komponierte.

Besonders magisch ist der Park im Herbst, wenn die vielfältigen Baumarten, darunter viele nordamerikanische Eichen und Ahornbäume, in leuchtenden Rot- und Goldtönen erstrahlen. Das tiefe, warme Licht der Nachmittagssonne, die berühmte „goldene Stunde“, taucht die Szenerie in eine fast unwirkliche Atmosphäre und lässt die Blätter von innen heraus glühen.

Herbstliche Baumkronen spiegeln sich im Landwehrkanal mit goldenem Nachmittagslicht

Aber auch der Frühling ist eine Zeit spektakulärer Schönheit. Ab März überziehen riesige Krokusteppiche die Wiesen am Spreeufer, gefolgt von der zarten Pracht der Magnolienblüte im April und den opulenten Farben des Rhododendronhains im Mai und Juni. Jeder Monat bietet neue Motive und Stimmungen. Selbst der Winter hat seinen Reiz, wenn die grafische Struktur der kahlen Äste gegen einen Schneehintergrund oder den dramatischen Himmel der blauen Stunde tritt.

Hier sind einige der besten Foto-Hotspots, geordnet nach Jahreszeiten, für Ihre nächste fotografische Erkundung:

  • März: Die Krokuswiesen am Spreeufer, idealerweise bei weichem Morgenlicht.
  • April: Die Magnolienblüte in der Nähe des Englischen Gartens.
  • Mai/Juni: Der Rhododendronhain, wenn er in voller Blüte steht.
  • Herbst: Die Bereiche mit nordamerikanischen Eichen und Ahornbäumen für das intensivste Farbenspiel.
  • Winter: Die beleuchtete Siegessäule während der blauen Stunde für eine ikonische Aufnahme.

Wie Sie für Meditation, Lesen, Picknick und Naturbeobachtung je 3 passende Parks zuordnen

Nicht jeder Bereich im Tiergarten eignet sich für jede Aktivität. Während die großen Wiesen nahe der Straße des 17. Juni ideal für ein geselliges Picknick sind, bieten sie kaum die nötige Ruhe für Meditation oder konzentriertes Lesen. Die Kunst, den Park optimal zu nutzen, besteht darin, die richtigen Orte für die gewünschte Tätigkeit zu kennen. Es geht um eine bewusste Zuordnung von Ort und Absicht, um die Qualität des Erlebnisses zu maximieren. Anstatt zufällig eine Bank zu suchen, können Sie gezielt jene Nischen ansteuern, die für Ihre Zwecke perfekt sind.

Der Park bietet eine erstaunliche Vielfalt an Mikroklimata und Atmosphären – von formalen Gärten über abgeschiedene Inseln bis hin zu fast wild anmutenden Waldstücken. Für die Naturbeobachtung beispielsweise sind die Uferbereiche des Landwehrkanals und des Neuen Sees ideal. Ein erfahrener Naturbeobachter beschreibt seine Erfahrungen so:

Im Tiergarten kann man über 600 Baumarten und eine erstaunliche Vogelvielfalt beobachten, darunter Amsel, Bachstelze, Blässhuhn, Blaumeise, Buchfink, Buntspecht und Eichelhäher. Besonders beeindruckend sind die Nachtigallen in den Feuchtgebieten entlang des Landwehrkanals zur Dämmerung im Frühling.

– Naturbeobachter, Offene Naturführer

Diese Expertise hilft, die richtigen Orte zur richtigen Zeit aufzusuchen. Die folgende Tabelle bietet eine Zuordnung von Aktivitäten zu drei jeweils passenden Orten im Tiergarten und dient als praktischer Wegweiser für Ihre nächste Auszeit.

Beste Orte im Tiergarten für verschiedene Aktivitäten
Aktivität Ort 1 Ort 2 Ort 3
Meditation/Lesen Rousseau-Insel (nördlicher Teil) Luiseninsel (formaler Garten) Stille Bänke westlich Großer Stern
Picknick Große Wiese (soziales Picknick) Neuer See Ufer (romantisch) Wiesen nahe Spielplätze (Familie)
Naturbeobachtung Landwehrkanal (Nachtigall im Frühling) Westliche Waldstücke (Füchse morgens) Neuer See (Wasservögel)

Wie Sie Tag 1 Seen, Tag 2 Wälder, Tag 3 Moore chronologisch und thematisch erleben

Für den wahren Liebhaber, den wiederkehrenden Besucher, der den Tiergarten nicht nur als einmaliges Ziel, sondern als fortwährenden Begleiter begreift, eröffnet sich eine noch tiefere Ebene der Erkundung: die chronologische und thematische Auseinandersetzung mit seinen Ökosystemen. Anstatt den Park in geografischen Routen zu durchmessen, kann man ihn über die Zeit hinweg in seinen ökologischen Schichten „lesen“. Dieser Ansatz fokussiert auf die verschiedenen Vegetations- und Wasserwelten und wie sie die Geschichte des Parks erzählen.

Beginnen könnte man mit den Gewässern. Der Landwehrkanal, der Neue See und die vielen versteckten Teiche sind nicht nur ästhetische Elemente, sondern auch wichtige Biotope. Sie folgen einer von Lenné entworfenen Logik und bilden ein vernetztes System, das Lebensraum für zahlreiche Wasservögel und Insekten bietet. Ein Tag, der nur den Wasserläufen gewidmet ist, offenbart die meisterhafte Ingenieurskunst und die ökologische Funktion.

Ein zweiter Fokus könnte auf den Wäldern liegen. Hier lassen sich die verschiedenen „Generationen“ von Bäumen studieren. Man kann die wenigen verbliebenen, alten Bäume aus der Vorkriegszeit suchen und sie mit der vielfältigen Baumgesellschaft vergleichen, die aus der Wiederaufforstungsaktion der Nachkriegszeit hervorging. Damals wurden, wie eine Viertelmillion Baumspenden den Park neu belebten, Bäume aus ganz Westdeutschland nach Berlin gebracht. Diese Vielfalt ist heute eine der größten Stärken des Parks. Das Studium der unterschiedlichen Waldstücke – von dichten, fast urwüchsigen Bereichen im Westen bis zu lichteren Hainen – wird so zu einer Lektion in Forstgeschichte und Ökologie.

Schließlich kann man sich den offenen Wiesen und besonderen Pflanzungen wie dem Rosengarten oder dem Englischen Garten widmen. Diese Bereiche repräsentieren die am stärksten gestaltete, „gezähmte“ Form der Natur im Park. Sie stehen im Kontrast zu den wilderen Waldstücken und zeigen die ganze Bandbreite des gartenkünstlerischen Ausdrucks. Diese tiefgehende, thematische Erfahrung ist der ultimative Weg, die „Landschafts-Grammatik“ des Tiergartens zu meistern.

Das Wichtigste in Kürze

  • Verabschieden Sie sich vom ziellosen Umherirren; eine strukturierte Erkundung in thematischen Routen offenbart die wahre Tiefe des Tiergartens.
  • Lesen Sie die Landschaft, indem Sie historische Spuren wie Jagdschneisen und Lennés geschwungene Wege unterscheiden lernen.
  • Nutzen Sie digitale Werkzeuge wie Komoot, um die Orientierung zu erleichtern und sich auf die bewusste Wahrnehmung des Parks zu konzentrieren.

Welche 12 geheimen Grünoasen Berlins Ihnen Ruhe bieten, während Touristen im Tiergarten drängen

Selbst im meistbesuchten Park Berlins gibt es sie: die stillen Nischen, die geheimen Oasen, die den meisten Touristen verborgen bleiben. Während sich die Menschenmassen auf der Straße des 17. Juni und rund um die Siegessäule drängen, kann man nur wenige hundert Meter entfernt vollkommene Ruhe finden. Der Schlüssel liegt darin, die Hauptachsen zu verlassen und sich in die weniger frequentierten Rand- und Innenbereiche vorzuwagen. Diese Orte bieten eine intime, fast private Parkerfahrung und sind das wahre Herz des Tiergartens für Kenner.

Die Suche nach diesen Orten ist an sich schon eine lohnende Entdeckungsreise. Es sind Plätze wie die philosophisch inspirierte Rousseau-Insel im nördlichen Teil, der versteckte Goldfischteich oder die stillen Wege hinter Schloss Bellevue. Ein Berliner Stadtführer fasst die Magie dieser weniger bekannten Momente und Orte poetisch zusammen:

Der Tiergarten vor 9 Uhr – erleben Sie den Park mit Joggern und Einheimischen. Der Tiergarten an einem regnerischen Dienstag – entdecken Sie die Melancholie und die intensiven Gerüche des nassen Waldes.

– Berliner Stadtführer, Spaziergang durch den Berliner Tiergarten

Diese Perspektive lädt dazu ein, den Park antizyklisch zu erleben und seine subtileren Stimmungen zu entdecken. Anstatt auf perfektes Wetter zu warten, kann gerade ein regnerischer Tag eine tiefere, sinnlichere Erfahrung bieten. Die folgende Liste ist Ihr Wegweiser zu diesen verborgenen Oasen innerhalb des Tiergartens.

  • Rousseau-Insel: Abgeschieden im nördlichen Teil, philosophisch inspiriert.
  • Goldfischteich: Versteckt und ruhig, perfekt für Kontemplation.
  • Englischer Garten: Ein formaler Schmuckgarten mit einem charmanten Teehaus.
  • Ruhige Wege hinter Schloss Bellevue: Kaum von Touristen frequentiert.
  • Der Park vor 9 Uhr morgens: Erleben Sie die authentische Atmosphäre mit den Einheimischen.
  • Ein regnerischer Dienstag: Entdecken Sie die Melancholie des nassen Waldes und seiner intensiven Gerüche.

Die aktive Suche nach diesen Momenten der Stille ist der letzte Schritt zur vollständigen Aneignung des Parks. Es ist die Verwandlung vom Besucher zum Kenner.

Nachdem Sie nun mit den Werkzeugen und dem Wissen ausgestattet sind, um den Tiergarten auf eine neue, tiefere Weise zu erleben, besteht der nächste Schritt darin, diese Perspektive bei Ihrem nächsten Besuch aktiv anzuwenden. Betrachten Sie den Park als ein Landschaftskunstwerk, das darauf wartet, von Ihnen gelesen und entschlüsselt zu werden.

Häufige Fragen zur Erkundung des Tiergartens

Ist der Eintritt in den Großen Tiergarten kostenlos?

Ja, der Große Tiergarten ist ein öffentlicher Park des Landes Berlin. Der Zugang ist rund um die Uhr und an allen Tagen des Jahres völlig kostenlos. Lediglich bestimmte Attraktionen innerhalb oder am Rande des Parks, wie das Besteigen der Siegessäule, können Eintritt kosten.

Wie groß ist der Große Tiergarten genau?

Der Große Tiergarten umfasst eine Fläche von 210 Hektar (entspricht 2,1 Quadratkilometern). Er ist damit die größte und bedeutendste Parkanlage Berlins und eine der größten innerstädtischen Grünflächen Deutschlands.

Wer hat den Tiergarten gestaltet?

Obwohl der Park eine lange Geschichte als Jagdrevier hat, wurde seine heutige Form als Landschaftspark maßgeblich von Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert geprägt. Er transformierte die barocken Strukturen in einen Park nach englischem Vorbild mit geschwungenen Wegen, Sichtachsen und malerischen Wasserflächen.

Geschrieben von Stefan Müller, Stefan Müller ist staatlich geprüfter Berg- und Wanderführer, Sport- und Gesundheitswissenschaftler sowie Urban-Outdoor-Spezialist mit 16 Jahren Erfahrung in der Leitung von Aktivreisen, Gründer eines Berliner Outdoor-Coaching-Unternehmens und zertifizierter Klettertrainer des Deutschen Alpenvereins.